Liebe Mitwirkende des Radio-Teams,
Sie hatten mich, die Namenlose, überraschender Weise im MDR angekündigt, als Autorin einer Lesung im Christophorushaus in Burgstädt. Auch die regionale Presse gab Hinweise auf diese Feierlichkeit mit besinnlichen Texten zum Advent. Sie kannte sogar meinen Namen. Bei so viel Würdigung überlegte ich, ob ich mein "Kleines Schwarzes" anziehen sollte, Schmuck oder nicht, Schminke oder nicht, muss man aufgeregt sein oder nicht? Alles wichtige Überlegungen vor einer Lesung eigener Texte in einem unbekannten Rahmen. Gut, ich entschied mich für die mittlere Variante, in allen Bereichen: Also Rock und Bluse, ein wenig Schmuck, ein wenig Schminke, ein wenig aufgeregt...
Zur offiziellen Begrüßung der Abendveranstaltung erfuhr ich dann erst einmal, dass ausgerechnet mit meinen Worten zum Advent, das Publikum nach Hause geschickt werden sollte, um sie noch in sich wirken lassen zu können. So, wie ich über die Präsentation meiner Person nachgedacht hatte, surrten nun Gedanken zum Umfang und indirekt artikulierten Qualitätshinweis meines Textes durch meinen Kopf, den die Leiterin, sicherlich gut gemeint, mit ihren Hinweis geäußert hatte. Denn sie konnte ja nicht wissen, dass ich mir nicht sicher war, ob mein Beitrag dem exquisiten Anspruch genügte, dass ausgerechnet er zur Besinnung bis Weihnachten oder gar länger reichen sollte.
Der Klavierspieler begann die Tasten zu bewegen und interpretierte vertraute, weihnachtliche Klänge in humorvoller Weise. Seine Gedichte, oft in Mundart, für eine wie mich aus Franken eine interessante Variante vertraute Worte völlig anders auszusprechen, ließen warme Gesichter zaubern, und das eine oder andere laute Lachen erklingen.
Ich vergaß meine Bedenken wegen des viel zu großen Auftakts in Form der Ankündigung zu meiner Person, stimmte in den Gesang des Klavierspielers mit ein, kicherte über seine Witze und ließ mich von seinen Gefühlsausdrücken inspirieren. In dieser besinnlichen Leichtigkeit konnte ich die Menschen um mich herum als Wesen mit offenen Herzen wahrnehmen, die es nicht nötig hatten, Gesichter zu bewahren oder Fassaden der Besonderheit aufzubauen. Mir wurde klar, dass in diesem Ambiente, geprägt von freundschaftlichen Umgangsformen und Bedürfnissen, sich lebendig zu fühlen, die Schwere meiner philosophischen Zeilen nicht dem wahren Interesse der Zuhörer gerecht werden würde. Ebenfalls offenherzig bat ich darum etwas Warmes, Familiäres und damit ja auch Weihnachtliches vorlesen zu dürfen. Es schien mir zu dem bisher Erlebten besser zu passen als eine analytische Schärfe spiritueller Gedanken. Ich durfte!!!
Schon nach den ersten Sätzen lächelten einige meiner frisch lieb gewonnenen Zuhörer wohl wissend. Sie handelten von vertrauten, weit verbreiteten emotionalen Phänomen. Kleine und größere, herzliche Lacher folgten, weil man eben dieses bekannte, anstrengende Thema offensichtlich auch mit Humor nehmen konnte. Ich fühlte mich geborgen in der Solidaritätsgemeinschaft dieser Menschen. Hatten wir uns wohl schicksalstreu zu diesem nicht derart geplanten Anlass vereint? Langsam baute sich der Schluss dieser Geschichte auf, die das Leben geschrieben hatte. Die Gesichter waren gebannt, kein Räuspern, keine Geste, kein Zucken! Ich fühlte eine innere Verbindung mit meinen Zuhörern, als ob wir uns schon lange kennen würden.
Dann war sie erzählt, die Geschichte, die eigentlich keine Geschichte ist, sondern eine offensichtlich weit verbreitete Lebenserfahrung. In dem Moment der Stille bemerkte ich das Schlucken in meinem Hals und dieses sonderbare Gefühl. Es war dasselbe Empfinden, wie das auf Beerdigungen, auf denen man den Leichnam gar nicht als Mensch gekannt hatte. War es wirklich mein Schlucken? Oder gehörte es zur Solidarität mit meinen Zuhörern?
Es folgte ein zaghaftes Klatschen. Eine Frau weinte. Einige aus dem Publikum erzählten mir, dass es ihnen ebenso ergehen würde, wie in der Geschichte, und andere meinten einfach nur, "weiter so"!
Ich hatte nicht vorgelesen, ich hatte auch keinen selbst geschriebenen Text präsentiert, sondern ich war eingetaucht in Nähe und Begegnung zwischen Menschen. Danke, liebes Publikum! Danke liebe Mitwirkende vom Radio, dass ihr es meinen Zuhörern weitersagt.
Nessun commento:
Posta un commento